Seit dem Ende des hart umkämpften „Browser-Kriegs“ zwischen Microsoft und Netscape in den neunziger Jahren gilt der Internet Explorer als unangefochtener Alleinherrscher des Browser-Markts für Betriebssysteme aus Redmond. Seitdem gab und gibt es nur wenige ernst zu nehmende Windows-Alternativen für das Surfen im Web, doch keine von ihnen vermochte es jemals, Microsoft unter Druck und in Zugzwang zu setzen.
Doch vielleicht wird sich das alles bald ändern. Geplagt von Sicherheitsproblemen, negativen Schlagzeilen und einem Stillstand in der Entwicklung verliert der Internet Explorer erstmals in seiner Geschichte Marktanteile – an Mozilla Firefox, ein Browser der Mozilla Foundation, der ursprünglich eher als Seitenprojekt der Entwicklergemeinde gedacht war.
Bart Decrem, Open Source-Multitalent und Sprachrohr der Mozilla Foundation, erklärt kurz vor der Veröffentlichung von Firefox 1.0 gegenüber ZDNet die Mission seiner Organisation, was den Firefox-Browser so besonders macht und wo die Reise hinführt.
ZDNet: Herr Decrem, würden Sie in Anbetracht des Rummels, den es in den letzten Monaten um den Firefox-Browser gab, sagen, dass die „Browser-Kriege“ wieder da sind?
Decrem: Ich versuche das Wort „Krieg“ zu vermeiden, insbesondere, wenn gerade ein realer Krieg stattfindet und Menschen sterben. Ich glaube, wir versuchen Auswahlmöglichkeiten ins Internet zurückzubringen – das ist die Mission der Mozilla-Foundation. Wenn Sie fünf oder sieben Jahre zurückgehen, als es im Internet noch echten Wettbewerb und Innovationen gab, fanden die Forschritte in zwei Bereichen statt. Einerseits wurden die Browser immer besser – ungefähr alle sechs Monate gab es ein neues Release vom Internet Explorer oder Netscape mit neuen Features. Sie haben gegeneinander konkurriert, um ihre Browser besser zu machen.
» Was uns alle antreibt, was uns jeden Tag zur Arbeit gehen lässt, ist die Mission, Auswahlmöglichkeiten ins Web zurückzubringen. Es ist dieselbe Energie, die wir mit dem Rest der Open Source-Gemeinde teilen. « |
Andererseits gab es im Web selbst Innovationen. Das Web hat sich weiterentwickelt, neue HTML-Standards kamen, neue Technologien und so weiter. In den letzten Jahren, als Microsoft die Kontrolle übernommen und das Web monopolisiert hat, gab es im Browser-Bereich keine Innovationen mehr – der Internet Explorer ist seit einigen Jahren nicht mehr aktualisiert worden. Auch das Web hat stagniert. Es gibt beispielsweise viele neue Möglichkeiten, die man durch die Nutzung von CSS (Cascading Style Sheets) realisieren kann, aber die CSS-Unterstützung im Internet Explorer ist sehr dürftig, was am Ende bedeutet, dass Web-Entwickler ihren Nutzern keine wirklich aufregenden Neuerungen bieten können, wie dies bei einem funktionierenden Markt der Fall wäre. Wir versuchen – und wir sind Non-Profit – Auswahlmöglichkeiten zurückzubringen und dadurch auch Innovation. Mit der Dynamik, die wir mit Firefox trotz des geringen Marktanteils haben, gibt es wieder eine echte Wahlmöglichkeit. Die Leute schenken dieser Tatsache Aufmerksamkeit, und Microsoft ist gezwungen, zu reagieren. Ich glaube, dass wir im nächsten Jahr wieder einige Innovationen im Internet Explorer sehen werden, was natürlich eine tolle Sache für die Nutzer ist. Kurz gesagt, die Auswahlmöglichkeiten im Netz sind zurück.
ZDNet: Es gab in der Vergangenheit einige brauchbare Alternativen zum Internet Explorer. Wie erklären Sie sich also die plötzliche Popularität und die offensichtlich weit reichende Akzeptanz von Firefox?
Decrem: Die hat zwei Gründe. Erstens, Firefox ist ein besseres Produkt. Netscape 7, Mozilla 1.7, Opera und Safari sind alles tolle, moderne Browser mit einem großartigen Funktionsumfang. Aber ich glaube, an Firefox ist – sicherlich für Windows und Linux-User – die einfache Oberfläche das Besondere. Opera ist ein toller Browser, aber ich glaube er leidet an denselben Mängeln wie die Mozilla 1.7-Suite: Ein Übermaß an Optionen, Funktionen und Voreinstellungen. Wir wollten uns mit Firefox auf eine einfache Nutzung konzentrieren. Wir haben beispielsweise die Zahl der Optionen halbiert, wir haben die Zahl der Menü-Einträge in erheblichem Umfang gekappt und wir haben das Look and Feel komplett neu entwickelt. Firefox ermöglicht wirklich einen einfacheren Umgang mit dem Web. Zudem unterscheiden sich die integrierten Suchfunktionen im direkten Vergleich mit Netscape oder Mozilla deutlich. Im Sinne der insgesamt gebotenen User Experience ist es ein besserer Browser.
Bart Decrem, Mozilla Foundation |
Der zweite Grund ist, dass die Anwender heute für eine Alternative bereit sind. In den letzten Jahren hat das Internet nicht nur stagniert, sondern das Internet-Erlebnis wurde durch Ärgernisse wie Popups, Spyware, Viren und sicherlich auch Spam erheblich schlechter. Die Leute haben gesehen, wie ihr Online-Erlebnis an Wert verloren hat und die Gefahren zugenommen haben. Es ist also eine Kombination aus der Tatsache, dass die Anwender bereit sind für einen Wechsel, und dass es ein alternatives Produkt gibt, das wettbewerbsfähig und attraktiv ist.
ZDNet: Welche Motivation steht hinter der Entwicklung von Firefox? Verdient irgendjemand Geld mit dem Projekt?
Decrem: Wir haben bei der Mozilla Foundation ein Dutzend Angestellte – echte, bezahlte Mitarbeiter. Neben den Angestellten der Foundation gibt es insgesamt 50 Leute bei Sun, IBM, Red Hat und anderen, die dafür bezahlt werden, ausschließlich an Mozilla-Technologien zu arbeiten. Das sind also alles Menschen, die sich ihren Lebensunterhalt mit Mozilla verdienen. Was uns aber alle antreibt, was uns jeden Tag zur Arbeit gehen lässt, ist die bereits erwähnte Mission, Auswahlmöglichkeiten ins Web zurückzubringen. Es ist dieselbe Energie, die wir mit dem Rest der Open Source-Gemeinde teilen. Die Offenheit des Internet sicherzustellen und das zu bewahren, wodurch das Web ein so spezieller Ort geworden ist, der sich von geschlossenen Communities wie MSN, AOL und Compuserve deutlich unterscheidet. Es geht uns darum, die Begeisterung aufrecht zu erhalten, das Netz offen zu halten für alle Arten von Geschäften, egal ob es Konsumenten, Web Service Provider oder Unternehmen sind.
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